Warum werden die AKW auch im Sommer betrieben wenn die Abwärme nicht zum Heizen verwendet werden kann?


Die Abwärme wird bei den deutschen AKWs tatsächlich quasi nicht genutzt. Es gibt Anlagen welche Fernwärme auskoppeln, was aber eher selten ist. Bedingt durch die Dampf-Parameter (Druck, Wärme, Wärmemenge pro Stunde, …) des Kraftwerkes entsteht die Abwärme bei AKW bei grob rd. 15 °C. Das ist für den Transport über sehr weite Strecken zur nächsten und erst recht zur übernächsten größeren Stadt und der Nutzung als Heizenergie schlichtweg «zu kalt».
Technische Gründe sprechen gegen die Verwendung der Abwärme.

Zudem stellt sich die Frage, wer die Übertragungsleitung für die Fernwärme „bezahlt“. Die Distanz zur nächst grüßeren Stadt mit einer Leitung zu überbrücken ist technisch möglich, allerdings wegen der hohen Kosten nicht immer wirtschaftlich. Da das Kraftwerk die Restwärme und im Sommer seine gesamte Wärme auf andere Weise „entsorgen” muß, müssen hierfür Anlagen (Flußkühlung oder Kühltürme) vorgehalten werden. Die Kosten würden folglich an zwei Stellen entstehen.

Da Fernwärmenetze (Verteilnetze) hohe Investitionskosten haben sind sie daher nur in dicht besiedelten Gebieten bevorzugt etabliert. Viele Kernkraftwerke (KKW) stehen aber Abseits solcher Städte bzw. Ballungszentren.
So sprechen auch wirtschaftliche Gründe dagegen.

Darüber hinaus erzeugen die Atomkraftwerke günstigen auch im Sommer benötigten Strom bei gleichzeitig sehr geringem CO2-Ausstoß. (Im Betrieb, aber auch «von der Errichtung bis zum Abbruch».)

Beispiel Gundremmingen

Das Kraftwerk Gundremmingen verfügt über eine kurze Fernwärmeleitung von 1,5 km Länge zur nahegelegenen Gemeinde Gundremmingen. Die – nicht gerade kernenergiefreundliche – TAZ berichtet darüber: «AKW Gundremmingen heizt Schulzentrum – Kaum zu glauben».

Ausland

In Osteuropa ist das Vorhalten einer Fernwärmeleitung in der Regel Standard. Es liegt daran, dass Fernwärmenetze dort weitläufig etabliert sind. Das ist im westlichen Teil der Welt nur sehr begrenzt der Fall. Ein seltenes Beispiel aktuell für eine neue Fernwärmeleitung ist das Kernkraftwerk Temelín (Tschechien).

Das Kraftwerk Gösgen (Schweiz) liefert sogar Dampf, der vor der Turbine noch nicht genutzt wurde, an eine Papier – und Kartonfabrik. Derartige Frischdampf hat andere Dampf-Parameter, insbesondere eine höhere Temperatur, was die Nutzung dort wirtschaftlich macht. Durch die Entnahme der Frischdampfmenge von rd. 1 % (vor der Turbine) wird allerdings die Stromerzeugung leicht gemindert. [1]

Nachgehakt: Weitere Frage

Warum die AKW nicht im Sommer abschalten und im Winter mit der Abwärme heizen? Das rentiert doch sicher viel mehr.

Der Stillstand eines KKW bedeutet ein Verlust von knapp einer Millionen Euro Umsatz je Tag – das rentiert sich nicht. Winter 2022: Mit diesen hohen Strompreisen sind es sogar mehr. Die noch in Betrieb befindlichen AKW sind für die Stromerzeugung errichtet und die Betriebswirtschaft entsprechend dafür ausgelegt.

Für eine Betriebszeit ausschliesslich im Sommer könnte sich vielleicht eher ein reines Kernheizwerk lohnen. „Dazu muss der Abkühlungsprozess des Dampfes bei höheren Temperaturen (z. B. 60 bis 120 °C) und höheren Dampfdrücken (z. B. 0,2 bis 2 bar) quasi abgebrochen werden. Diese Technik wird in sog. Heizkraftwerken angewendet.“ [2]

In einer Planwirtschaft sind andere Nebenbedingungen zu erfüllen; Die «die Uhren gehen dort eben anders».

«Siehe auch», Quellen und Dank

Siehe auch (insbes. die Langfassung!):

  1. Abwärme: Kann man das Kühlwasser von Kraftwerken nutzen? von Eberhard Wagner
    Als Argument gegen konventionelle Kraftwerke und Kernkraftwerke wird immer wieder ihr relativ niedriger Wirkungsgrad vorgebracht: 2/3 der Energie gingen bei ihrem Betrieb verloren, man solle sie daher besser nicht nutzen. Was stimmt davon?
  2. In einer Langfassung dieses Beitrag geht der Fachmann Kai Kosowski auf die thermodynamischen Details ein. Der Beitrag befindet sich noch in Arbeit, wurde aber schon in der FB-Gruppe veröffentlicht. Es kann unter Kontakt abgerufen werden. Stichwort: «Datei AKW-abschalten?»

Quellen

  1. Prozessdampfauskopplung, KKW Gösken (CH)
  2. Abwärme: Kann man das Kühlwasser von Kraftwerken nutzen?

Dank

Zusammengetragen aus div. Antworten von Fachleuten im FB-Gruppe „Pro Kernenrergie”. Die Frage entstand durch einen Leser dort. Dank an alle Beteiligten.

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